Natascha Würzbach : Das grüne Sofa
Erinnerungen an eine ungewöhnliche Kindheit
„Das grüne Sofa“ als Symbol für Geborgenheit
Natascha Würzbach erzählt in ihrem autobiografischem Roman von ihrer Kindheit im München der 30er Jahre, dem „Landleben“ während des Krieges und ihren Schritten ins Erwachsenenleben danach.
Natascha, mehrere Nationen in ihrem Stammbaum versammelnd, wächst in einer unkonventionellen Familie auf. Der geistesgeschichtlich gebildete Vater arbeitet beim Rundfunk, verliert aber unter den Nazis seinen Posten und muss sogar Schlimmeres fürchten.
Die Mutter ist Ausdruckstänzerin, ein wenig hin und her gerissen zwischen ihren Pflichten als Ehefrau eines deutlich älteren Mannes und Mutter einerseits und ihren künstlerischen Ambitionen andererseits. Nach dem Berufsverbot ihres Mannes bleibt ihr jedoch gar nichts anderes übrig, als den Lebensunterhalt aufzubessern. Monatelang geht sie auf Tourneen und tingelt während des Krieges an der Ostfront.
Natascha, die einzige Tochter, beschreibt dies alles aus ihrer kindlichen Sicht, erspürt feinfühlig die Anspannungen, die in der Familie herrschen, hört die Zwischentöne in manchen Bemerkungen und macht sich ihren eigenen Reim darauf.
Die exaltierte Großmutter, verarmter Adel, tut ein Übriges, um den Alltag des Kindes auf ungewöhnliche Weise aufzumischen.
Doch es ist Krieg und die Gefahr wächst. Der Umzug ins Tegernseer Land bedeutet für Natascha eine Steigerung der Lebensqualität. Sie entdeckt ihre Liebe zur Natur und bekommt erstmals Kontakt zu Gleichaltrigen, nachdem sie in ihrer Münchener Schule wegen ihrer unbürgerlichen familiären Verhältnisse fast nur gehänselt wurde – und der Krieg ist hier auf dem Land weit weg. Immer wieder haben die Würzbachs Glück, wenn Gefahr im Verzug ist, und das Organisationstalent der praktisch veranlagten Mutter tut ein Übriges.
So übersteht die Familie auch die Nachkriegswirren und die kargen Jahre. Natascha ist inzwischen auf dem Gymnasium und steuert aufs Abitur zu. In diesem zweiten Teil wird der Ton beschaulicher, der Rhythmus ruhiger – und das Buch auch langweiliger. Allerdings mag auch dieser Teil für viele Leser/innen, die in den 50er Jahren erwachsen wurden, eine nostalgische Identifikationsfolie bieten.
Die Autorin, die ihren Lebensunterhalt eigentlich als Professorin für englische Literatur verdiente und erst nach der Emeritierung diesen autobiografisch inspirierten Roman geschrieben hat, wählt für ihr Debut eine anschauliche, poetisierende Sprache, die, auch wenn sie manchmal etwas betulich wirkt, das Erinnerungsbuch mit einer passenden Patina überzieht, wie man es auch dem titelgebenden Möbelstück anzusehen meint.
Natascha Würzbach: Das grüne Sofa. Roman. dtv München 2007. 350 Seiten.
Besprechung vom Juli 2008