Bernhard Schlink : Die Heimkehr

Heimkehr auf Umwegen

Bernhard Schlinks Roman „Der Vorleser“, 1995 erschienen, war bzw. ist ein in 37 Sprachen übersetzter Welterfolg. Seine Trilogie um den Privatdetektiv Selb („Selbs Justiz“, „Selbs Betrug“ und „Selbs Mord“, s. Besprechung) war ebenfalls ein Erfolg. Sein Geschichtenband „Liebesfluchten“ (2000) wurde wohlwollend aufgenommen, eine Sammlung von Aufsätzen und Essays „über Politik, Recht, Schreiben und Glauben“ mit dem Titel „Vergewisserungen“ (2005) ebenfalls.

Kein Wunder, dass an Schlinks neuen Roman „Die Heimkehr“, erst vor wenigen Wochen [2006] erschienen, die höchsten Erwartungen geknüpft sind. Um es gleich vorweg zu nehmen: sie werden nicht alle erfüllt. Dennoch ist es durchaus ein empfehlenswertes Buch.

Die Parallelen zum „Vorleser“ sind auffällig. Wieder haben wir es mit einem Ich-Erzähler - geboren in der Mitte der 40er Jahre - zu tun, der später Jurist wird und sich nicht nur aus beruflichem Interesse, sondern aus autobiografischen Gründen mit der deutschen Vergangenheit im „Dritten Reich“ auseinandersetzt, dabei hohe ethische Maßstäbe ansetzt und um diese Maßstäbe immer wieder ringt.

Dass Schlinks Ich-Erzähler hier wie dort in Alter und beruflichem Werdegang Ähnlichkeiten mit ihrem Schöpfer aufweisen, ist kein Nachteil. Im Gegenteil: dadurch gewinnen ihre Selbstreflexionen, ihre Grübeleien, ihre möglichen Skrupel Authentizität und Tiefe, denn sie schöpfen aus einem weiten (rechts-)philosophischen Horizont.

Im Roman „Die Heimkehr“ gerät der Ich-Erzähler Peter Debauer auf verschlungenen Wegen auf die Spur von Texten, die ganz unterschiedlich das Verhalten des Menschen in Extremsituationen und Grenzerfahrungen thematisch variieren. Einmal spielt ein Heftchen-Roman auf hochintelligente Weise mit der Urform des Heimkehrer-Themas, nämlich Homers Odyssee, ein andermal gleiten Liebesbriefe aus dem Krieg unversehens in Edel-Nationalismus ab, ein Schulaufsatz zeugt von früher Reife, Feuilletonbeiträge entfalten eine suggestiv-charmante Wirkung. Allmählich findet Debauer heraus, dass er nicht unterschiedlichen Autoren, sondern immer demselben auf der Spur ist, mit dem ihn am Ende mehr verbindet als ihm lieb sein kann.

Den lebenswirklichen Rahmen für die komplizierte Spurensuche geben die seltsam unterkühlte Beziehung des Erzählers zu seiner Mutter sowie eine am Ende glücklich verlaufende Liebesgeschichte ab. Dazu kommen noch etliche Begegnungen und Beziehungen, die die geistigen Höhenflüge des Protagonisten wohl „erden“ sollen. Das funktioniert zwar innerhalb der Handlung. Dem Roman als Kunstwerk tut das allerdings gar nicht gut. Es wird viel gekuschelt und reichlich Tee getrunken – das „wirkliche Leben“ aber ergreift den Leser nicht. Die Romanfiguren haben nicht das Zeug, zu vertrauten Begleitern eines langen Leserlebens zu werden, Personen mit Größe und Abgründen, oder auch „nur“ mit Ecken und Kanten, findet man nicht.

Deshalb bleibt mir nur ein zwiespältiges Fazit: Wer intelligente Unterhaltung, anregende Gedankengänge und reichlich Bildungsstoff sucht, der wird in „Die Heimkehr“ fündig werden. All dies wird eloquent dargeboten, und Schlink-Fans werden sogleich die Sprache an ihrer schlanken Eleganz wiedererkennen. Die Faszination jedoch, mit der man vor allem den „Vorleser“ verschlungen hat, will sich hier nicht einstellen.

 

Bernhard Schlink: Die Heimkehr. Roman. Diogenes Verlag Zürich 2006. 375 Seiten.

Besprechung vom März 2006

Sabine Skudlik