Christoph Poschenrieder : Die Welt ist im Kopf
Lieben und Denken in Venedig
Ein vergnüglicher Roman über den jungen Schopenhauer
Der erste Roman von Christoph Poschenrieder ist der Liebe des Autors – eines studierten Philosophen – zu Arthur Schopenhauer geschuldet und passend dazu im Jahr 2010 erschienen, dem 150. Todesjahr des eigenwilligen Denkers.
Einige Details, die aus dem Leben Schopenhauers bekannt sind, verknüpft Poschenrieder sehr subtil mit dessen zentralen Denkansätzen und schafft es, daraus einen überaus kurzweiligen Roman zu machen, den man auch als Nicht-Philosoph mit Vergnügen liest. Zu diesen biografischen Details gehört die Tatsache, dass Schopenhauer sein Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung“ bereits als 30-Jähriger fertiggestellt hatte, es 1819 bei Brockhaus in Leipzig erscheinen ließ und verkraften musste, dass sich zunächst kaum ein Mensch dafür interessierte. (Erst Jahrzehnte später, in den 1850er Jahren, wurde eine größere Öffentlichkeit auf Schopenhauer und seine Gedanken aufmerksam, von da an wurde er mit Ruhm geradezu überschüttet.)
Bekannt ist ferner Schopenhauers Verehrung für den fast 40 Jahre älteren Goethe, der Schopenhauer, als dieser zu einer längeren Italienreise aufbrach, ein Empfehlungsschreiben mitgab. Ob diese Karte sich wirklich an Lord Byron richtete, der zu dieser Zeit in Venedig weilte, und ob es tatsächlich ein Treffen zwischen Schopenhauer und Byron gab, ist ungewiss. Reizvoll ist die Vorstellung allemal, und darum kreist der Roman.
Verbürgt ist ferner die Tatsache, dass Schopenhauer in Dresden ein Kind zeugte infolge der Liebelei mit einer Frau, die als Lebenspartnerin für ihn nicht in Frage kam. Spuren finden sich außerdem zu einer venezianischen Geliebten namens Teresa Fuga, die im Roman eine wichtige Rolle spielt. Hier wird eine sehr sympathische Seite des jungen Denkers porträtiert, der der Nachwelt eher mit seinen pessimistischen und schlecht gelaunten Seiten im Gedächtnis geblieben ist und übrigens sein Leben lang unverheiratet blieb.
Weitere zeithistorische Details fügen sich belebend in die Romanhandlung, in der außerdem noch ein Hund namens Ciccio, ein Gondoliere namens Tita, ein fröhlicher deutscher Student namens Fidelis von Morgenrot, eine Sängerin mit Starallüren und allerhand Spitzel des habsburgischen Reiches in Diensten des Fürsten Metternich eine Rolle spielen. Sehr vergnüglich ist so manche Katz-und-Maus-Jagd durch dunkle Gassen, über Brücken und verwunschene Plätze, so dass „Die Welt ist im Kopf“ nicht nur ein Schopenhauer-, sondern vor allem ein sehr anschaulicher Venedig-Roman ist.
Jedes der zumeist recht kurzen Kapitel rückt die Sicht eines anderen Beteiligten in den Vordergrund, so dass kaleidoskopartig das Bild eines turbulenten Winters in Venedig entsteht – bis hin zum berühmten Karneval. Alles zusammen ergibt einen wunderbar farbigen Hintergrund für das höchst irdische Dasein eines jungen Deutschen, der in der Rückschau zu einem der wichtigsten Protagonisten in der Riege der „Dichter und Denker“ geworden ist.
Christoph Poschenrieder: Die Welt ist im Kopf. Roman. Zürich (Diogenes) 2010. 342 Seiten.
Besprechung vom Juni 2016