Daniela Krien : Der Brand

Urlaub zweier Eheleute nach fast 30 Jahren Ehe, die sich von außen gesehen gut erhalten hat. Aber von innen? Sie, Rahel, fühlt sich nicht mehr begehrt, er, Peter, fühlt sich von ihr nicht gesehen und verstanden. Die intensiven Gespräche, die sich früher wie von selbst ergaben, wollen sich nicht mehr einstellen. Jede/r von beiden kann auch gut mit sich allein. Aber eine „gute“ Ehe muss doch mehr sein als das friedliche Zusammenleben zweier gereifter Persönlichkeiten?

Dem Paar kommt die ursprünglich als Urlaubsziel gebuchte Hütte in den Alpen durch einen Brand abhanden. Da bietet der Hilferuf einer älteren Freundin, ihren Hof in der Uckermark zu hüten, eine willkommene Lösung. Hier gibt es etwas zu tun, Pflanzen und Tiere wollen versorgt werden.

Diese Freundin möchte ihren Mann, der einen Schlaganfall erlitten hat, in der Reha unterstützen. Man erfährt aus Rückblicken, dass dieses ältere Paar insbesondere für Rahel wichtige Bezugspersonen waren und sind.

Zwischendurch kommen auch noch die erwachsenen Kinder samt zwei lebhaften Enkeln zu Besuch. So dass letztendlich aus der ursprünglich geplanten Zweisamkeit mit Ergründung der Frage „Was ist mit uns?“ fast eine Familienaufstellung wird.

Denn als existenzielle Thematik kommt - fast ein wenig durch die Hintertür - hinzu, dass Rahel nicht weiß, wer ihr Vater ist. Eine Leerstelle, mit der sie sich arrangiert hat, die sich nun jedoch zunehmend in den Vordergrund schiebt. Eine komplexe Mutter-Tochter-Dynamik tut ein Übriges dazu.

Daniela Krien versteht sich meisterhaft auf „reduziertes“ Erzählen, oft genügt eine treffende Andeutung, und ihre Dialoge bringen alles auf dem Punkt. Sie muss keine ausführlichen psychologischen Analysen vornehmen, um dennoch erkennbar zu machen, wo das eingespielte Zusammenleben zwischen Rahel (die selbst Psychologin ist und aus deren Perspektive erzählt wird) und Peter abgenutzt ist, wo sich Bedürfnisse geändert und die beiden sich voneinander abgewandt haben.

Es ist ein Kammerspiel in der abgelegenen Idylle dieses dreiwöchigen Landurlaubs, das am Ende, bei mancher unvorhersehbaren Wendung, zu einer optimistischen Perspektive führt.

 

Daniela Krien: Der Brand. Roman. Diogenes Verlag Zürich 2021. 272 Seiten.

Besprechung von 2024

Sabine Skudlik