Daniela Krien : Die Liebe im Ernstfall

Fünf Frauen – fünfmal Liebe und Leben

Fünf Frauen, fünf Perspektiven. Das beschreibt die Grobstruktur in Daniela Kriens Roman „Die Liebe im Ernstfall“. Das Besondere an diesem Buch ist, dass die Lebenswege der fünf sehr unterschiedlichen Frauen sich kreuzen und queren, weil sie alle im Großraum Leipzig leben (wie ihre Erfinderin), weil sie sich seit Kindertagen in der DDR kennen, oder weil sie denselben Mann lieben, auch das.

Es geht nicht nur um die Liebe zu dem Mann „fürs Leben“. Manchmal ist es auch ein Mann für eine flüchtige Affäre. Und es geht auch um die Liebe zwischen Müttern und ihren Kindern, die Liebe von Töchtern zu ihren Eltern, die Verbundenheit oder auch Konkurrenz von Schwestern oder Freundinnen.

Es geht um tiefe und unerschütterliche Liebe, um enttäuschte oder vergebliche Liebe. Es geht um Sinnlichkeit und Begehren. Um Erwachsenwerden und darum, den eigenen Weg zu finden. Es geht um die Spannung zwischen Hingabe und Selbstaufgabe.

Es geht um die altbekannte und immer wieder neu zu verhandelnde Frage, wie eine Frau Beziehung, Kind(er) und berufliche Selbstverwirklichung in jeder Hinsicht erfolgreich auf die Reihe kriegen soll, und wie frau sich in ihrem täglichen Scheitern behauptet.

Daniela Krien hat mit ihren fünf Protagonistinnen eindrucksvolle Charaktere geschaffen, die diese existenziellen Fragen mit ganz unterschiedlichen Haltungen angehen, die zu ganz unterschiedlichen Lebensentwürfen und Lebenslösungen kommen. Jede für sich überzeugend.

Aber da sich die Wege der Frauen zum Teil kreuzen, lernt man jede von ihnen und auch ihre Beziehungen aus unterschiedlichen Perspektiven kennen. Das ist der „Clou“ an dieser Romanstruktur: So werden die Charaktere noch plastischer und ihr Handeln verständlicher.

Für jede der fünf Frauen findet die Autorin einen eigenen, unverwechselbaren Ton, jede gewinnt auch in ihrer jeweiligen Widersprüchlichkeit schnell Kontur und ist absolut glaubwürdig. Und jeder meint man mit ihren Fragen ganz nahe zu sein, jede von ihnen kann frau als Leserin gut verstehen.

Denn – ohne männlichen Literaturfans das Interesse absprechen zu wollen: Dies ist ein Buch, das eine so radikal und konsequent durchgehaltene Frauenperspektive ins Zentrum rückt, dass sich vermutlich vor allem Frauen davon fesseln lassen.

Besonders zu empfehlen ist das Hörbuch, in dem fünf renommierte Schauspielerinnen in ungekürzter Lesung den Protagonistinnen ihre unverwechselbaren Stimmen leihen, sehr lebendig und ausdrucksstark. Man/frau hört gebannt zu – und freut sich, dass jeder Frau nach ihren individuellen Krisen zuletzt, wenn schon nicht ein großes Happy-End, so doch zumindest ein hoffnungsfroher Lichtschein am Horizont aufleuchtet.

Daniela Krien: Die Liebe im Ernstfall. Roman. Diogenes Verlag 2019. 288 Seiten

Besprechung vom November 2020