Martin Schleske : Der Klang. Vom unerhörten Sinn des Lebens | Herztöne

Vom Geigenbau zu Gott
Martin Schleske erzählt von den Erfahrungen des Glaubens

Vor einigen Jahren hat sich mit Martin Schleske ein Geigenbauer in Landsberg niedergelassen, den manche Fachleute in einem Atemzug mit Stradivari oder Guarneri nennen. In einem vorbildlich renovierten Altstadthaus am Hellmairplatz hat er Werkstatt und Forschungslabor eingerichtet (Schleske betreibt als studierter Physiker auch Forschungen zu den akustischen Besonderheiten im Instrumentenbau) und empfängt seine Kund:innen, unter ihnen viele international renommierte Streichersolisten und Solistinnen.

Schleske ist aber nicht nur ein innovativer und erfolgreicher Geigenbauer, er ist darüber hinaus ein begnadeter Schriftsteller, ohne es je angestrebt zu haben. Sein erstes Buch „Der Klang“ (erschienen 2010) ist die Frucht intensiven Nachdenkens über die Geheimnisse des Glaubens und vielfältiger Analogien zwischen Instrumentenbau und spirituellem Leben, die sich dem Geigenbauer während seiner praktischen Arbeit erschlossen. Es reifte im Verlauf von sieben Jahren und wurde nach seinem Erscheinen rasch zu einem Bestseller, dessen Erfolg immer noch anhält.

Das zweite Buch „Herztöne“ (erschienen im Frühjahr 2016) ist innerhalb weniger Monate entstanden, dreht sich um dieselben Anliegen und ist dennoch ganz anders.

Schleskes Bücher werden z.T. beworben wie Ratgeber für ein spirituelles Leben, wie es sie zuhauf gibt. Sie sind aber vielmehr ein fulminantes Credo, ein selbstbewusstes und aufrüttelndes Bekenntnis zum christlichen Glauben.

Da hier aber kein „gelernter“ Theologe schreibt, sondern ein Künstler, der mit seiner Hände Arbeit Instrumente entstehen lässt, ist dieses Credo in vieler Hinsicht verblüffend und gleichzeitig einleuchtend. Und glaub-würdig im doppelten Sinne des Wortes: man glaubt es dem Autor und es ist seines Glaubens würdig.

Die Analogie zwischen der Beziehung des Menschen zu Gott (und auch Gottes Beziehung zu seinen Geschöpfen) und der diffizilen Klangeinstellung bei einem Instrument spielt darin eine zentrale Rolle. Ein getrübtes Gottesverhältnis ist wie ein verstimmter oder verunreinigter Klang, an dem alle leiden - der Musiker vor allem. Gott ist (in dieser Analogie) wie ein Musiker, wir Menschen sind seine Instrumente. Jedes Instrument ist in seiner Einzigartigkeit anders, und daher ist auch die Musik des Lebens, die durch ein menschliches „Instrument“ erklingen soll, einzigartig und individuell. Jedes Leben soll sich auf seine eigene Weise erfüllen, und manche Leben sind eben komplizierter als andere, so wie manche Instrumente schwieriger zu spielen sind.

Entscheidend ist aber, ob die „Herztöne“ frei schwingen können oder ob etwas die harmonische Klangentfaltung stört. Manche Instrumente brauchen eine Generalüberholung, bei manchen ist nur eine winzige, aber entscheidende Korrektur nötig. Manche Menschen sollten ihr Leben oder vielmehr ihre Gottesbeziehung grundlegend verändern, um Erfüllung zu finden. Andere müssen jahrelang suchen, um einen kleinen störenden Einfluss zu entdecken und zu ihrem wahren Klang zu finden...

Eigentlich sprechen in Schleskes Büchern gleich mehrere Experten: der Geigenbauer, der überaus anschaulich von den unterschiedlichen Arbeitsschritten seines Berufs erzählen kann, von der Auswahl des Klangholzes bis hin zu den Geheimnissen des Lacks; der Handwerker und Künstler, der über seinen Werkstoff Holz spricht wie über ein lebendiges Gegenüber, dessen Natur zu achten ist; der Physiker, der kenntnisreich beschreibt, wie die Resonanzen sich ins Ohr der Hörer einschmeicheln; und schließlich der „Glaubensexperte“, der durch intime Kenntnis der Heiligen Schrift und anderer Glaubenstraditionen überzeugend und keineswegs im luftleeren Raum argumentiert.

Deshalb richten sich Schleskes Bücher an so viele verschiedene Leserinnen und Leser: an Musiker ebenso wie an Musikliebhaber, an Sinnsucher ebenso wie an Gottsucher, an spirituelle Zweifler ebenso wie an theologisch „trainierte“ Gläubige. Viele werden überraschend Neues finden, Verstörendes auch, Anregung sicherlich, und nicht zuletzt Tröstendes.

Das alles ist auch ein Genuss fürs Auge, durch die wunderbaren Fotos von Donata Wenders sowie Holzschnitte des Autors (in „Herztöne“). Vor allem aber besticht die mitunter eigenwillige, aber immer kraftvoll poetische Sprache, die nur einer schreiben kann, der sich nicht darum bemühen muss.

Martin Schleske: Der Klang. Vom unerhörten Sinn des Lebens. Kösel Verlag 2010. 351 Seiten

Martin Schleske: Herztöne. Lauschen auf den Klang des Lebens. Adeo Verlag 2016. 368 Seiten.

Besprechung vom Dezember 2016

Sabine Skudlik