Maja Göpel : Wir können auch anders: Aufbruch in die Welt von morgen

Lösungsvorschläge für die größten Krisen der Menschheit

 

Was ist die größte Krise der Menschheit? Antwort: Es gibt nicht die eine, sondern zwei! Und nein, es ist nicht die Inflation oder die hohen Energiepreise, und es ist auch nicht der Krieg in der Ukraine und den anderen Krisenherden der Welt.

Die beiden größten Krisen der Menschheit sind die Klimakrise und das Artensterben, die man eigentlich zusammen betrachten muss und auch gleichzeitig bekämpfen kann. Wie? Sowohl was die Analyse der Situation angeht als auch die Möglichkeiten zur Überwindung dieser Krisen – mit einer Fülle an Maßnahmen nämlich – machen Wissenschaftler:innen unterschiedlicher Fachbereiche seit Jahren konkrete Vorschläge.

Es fehlt also nicht an Wissen, sondern an der Umsetzung. Genauer gesagt. Am Willen zur Umsetzung. „Womöglich fehlen das Vertrauen, die ersten Schritte zu wagen, und die Zuversicht, dass viele bereit sind, sie mitzugehen.“ (M. Göpel)

Zwei Bücher dazu haben mich in letzter Zeit beeindruckt. Beide sind von klugen Frauen geschrieben: sachlich, informativ, engagiert und sehr gut lesbar. Maja Göpel ist Polit-Ökonomin und Transformationsforscherin (und ihr voriges Buch „Die Welt neu denken“ habe ich an dieser Stelle bereits besprochen).

Ulrike Herrmann hat den praktischen Hintergrund einer gelernten Bankkauffrau und ergänzte diesen in ihrem Studium der Geschichte und Philosophie. Sie arbeitet seit vielen Jahren als Journalistin bei der taz und hat ebenfalls schon mehrere Bücher, v.a. zu ökonomischen Themen veröffentlicht.

Beide Frauen sind sehr präsent in den Medien, weil sie auf jede nur mögliche Weise ihre jeweilige Botschaft unters Volk bringen wollen. Man gebe ihre Namen in die Suchmaschine ein und erhält die Links zu einer Fülle an Interviews, Fernsehsendungen, Podcasts – alle sehr informativ und auch durchaus unterhaltsam. Ausführlicher erklärt werden die Sachverhalte allerdings in den jeweiligen Büchern.

Maja Göpel zeigt in ihrem neuen Titel anschaulich, wie Transformation funktioniert: „Wir können auch anders!“ Denn eine große Transformation unseres Wirtschaftens, unserer Arbeitswelt und unseres Lebensstils ist nötig, wenn wir den Krisen als Gesellschaft handelnd entgegentreten und nicht von ihnen überwältigt werden wollen.

Veränderungsprozesse geschehen andauernd, ob wir es wollen oder nicht. Wichtig ist nun, „dass wir weniger nach Wegen suchen, ausgediente Strukturen noch einmal zu flicken, sondern die Kraft für Lösungen aufbringen, die zwar kurzfristig anstrengende Umbauten mit sich bringen, dafür in Zukunft aber besser tragen können.“

Einer anderen Frage widmet sich Ulrike Herrmann. Sie erklärt erst einmal – informativ, verständlich und ideologiefrei – wie der Kapitalismus historisch gewachsen ist und wie er genau funktioniert. Kapitalismus ohne Wachstum gibt es nicht, auch das wird erläutert, und da die Kunde, dass es ewig weitergehen könne mit dem Wachstum, es müsse nur „grün“ werden, als Märchen entzaubert wird, plädiert Herrmann für ein „grünes Schrumpfen“.

Ihrer Grundlegung mancher ökologisch-ökonomischer Details wurde zwar jüngst vom Spiegel-online-Kolumnisten Christian Stöcker nachvollziehbar widersprochen, dennoch finde ich ihren Grundgedanken faszinierend.

Für die „Überlebenswirtschaft“, die Herrmann vorausdenkt, lautet das Stichwort nämlich nicht Verzicht, sondern Rationierung. Als Modell dafür wirft sie einen Blick auf die Kriegswirtschaft in England ab 1939 – vor allem deswegen, weil es dort funktioniert hat, ohne dass die Demokratie zugunsten einer Diktatur abgeschafft wurde, weil es keine Volksaufstände, sondern im Gegenteil eine breite Akzeptanz gab, da die Notwendigkeit einer gerechten Verteilung der vorhandenen knappen Güter von der Mehrheit eingesehen wurde.

„Eine ökologische Kreislaufwirtschaft […] würde alles bieten, was ein gelungenes Leben ausmacht: Anregung, Abwechslung, Erkenntnis, Austausch, Freundschaft, Liebe, Anerkennung, Spaß, Genuss, Entspannung, Spiel und Sport. Aber auch Sicherheit, Mobilität, Pflege, Arbeit und Erfüllung.“

Mehrere Flugreisen im Jahr, das tägliche Schnitzel, Flugmangos aus Peru und Billigklamotten, die den Kleiderschrank verstopfen – das und noch einiges mehr steht dem Gedanken eines sparsamen und gerechten Ressourcenverbrauchs allerdings entgegen.

Individuelles ökologisch korrektes Verhalten (sofern das überhaupt annäherungsweise möglich ist) ist wichtig und hat einen verändernden Effekt. Aber es reicht nicht. Strukturen und Rahmenbedingungen müssen verändert werden, die Politik muss die Weichen stellen. Und zwar sehr viel mutiger als bisher. Und so schnell wie möglich.

Lassen Sie sich das von Maja Göpel und Ulrike Herrmann genauer erklären!

 

Maja Göpel: Wir können auch anders: Aufbruch in die Welt von morgen. Ullstein Verlag 2022. 368 Seiten.

Ulrike Herrmann: Das Ende des Kapitalismus: Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden. Kiepenheuer&Witsch 2022. 352 Seiten.

Besprechung vom Januar 2023

Sabine Skudlik