John Green : Das Schicksal ist ein mieser Verräter
„Das Schicksal ist ein mieser Verräter“
Wer dieses Buch nicht liest, verpasst ein Meisterwerk
Von diesem Buch schwärmt derzeit ausnahmslos jede:r, die oder der es gelesen hat, das Feuilleton überschlägt sich geradezu vor Lobeshymnen: „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ des amerikanischen Autors John Green. Ein Roman, „nahe an der Genialität“, wie ein Kritiker des „Time Magazines“ schrieb.
Erzählt wird die Geschichte einer Jugendliebe aus der Sicht der 16-jährigen krebskranken Hazel. Diagnose: Schilddrüsen-Karzinom mit Metastasen in der Lunge, die durch ein im Test befindliches Medikament in ihrem Wachstum gebremst sind. Trotz dieses „Krebswunders“, wie Hazel das nennt, wird die Krankheit eines Tages gewinnen, und das Mädchen weiß das ganz genau. In einer Selbsthilfegruppe für „Krebskinder“ lernt sie Augustus kennen, Knochenkrebs mit guter Prognose. „Das Osteosarkom biss manchmal ein Stück von dir ab, um dich zu kosten. Dann, wenn du ihm schmeckst, holt es sich den Rest.“ Augustus wiederum wurde von Isaac in die Selbsthilfegruppe mitgeschleppt, und der hat „diesen abartig seltenen Augenkrebs.“
In diesem Ton geht’s dahin, stets ein wenig sarkastisch, gespickt mit Galgenhumor. Man kann den drei Jugendlichen nichts vormachen. Sie palavern sich auf ihre Weise einfach ins Herz der Leser:innen – schnoddrig, ehrlich, schlagfertig, dabei hypersensibel, mitfühlend, aufrichtig und das alles mitunter hochphilosophisch. Besonders die intelligente Hazel – „Man hat nie Angst, dass sie vielleicht schlauer ist als man selbst: man weiß einfach, dass sie es ist.“ – durchblickt ihre eigene Situation genauso schonungslos wie die ihrer Eltern. „Es gibt nur eins auf der Welt, das ätzender ist, als mit sechzehn an Krebs zu sterben, und das ist, ein Kind zu haben, das an Krebs stirbt.“
In das Setting aus Therapie- und Familienalltag, Selbsthilfegruppe, Schule und Teenager-Sorgen tritt nun das „ganz normale“ Leben mit einer überwältigenden ersten Liebe. Dadurch, dass Amors Pfeil zwei Krebskinder trifft, bekommt diese Liebe etwas Schicksalsschweres, Unerhörtes, eine geradezu existenzielle Bedeutung.
Zusätzliche Fahrt bekommt die Handlung dadurch, dass Hazel den Autor ihres Lieblingsbuches unbedingt kennenlernen will. Denn dieser, ein Amerikaner niederländischer Abstammung, hat einen Roman über ein krebskrankes Kind geschrieben. Zwar sagt Hazel gleich zu Beginn „Krebsbücher sind doof“, aber dieser Autor „schien mich auf merkwürdige, unmögliche Art zu verstehen“. Gemeinsam mit Augustus fährt Hazel schließlich nach Amsterdam, und auch wenn diese Reise ganz anders verläuft als geplant, so ist sie doch in vielerlei Hinsicht der Katalysator für den Fortgang der Geschichte. Und dieser Fortgang steht unter dem Diktat der Zeit, „die uns mit den Toten vereint, die Zeit, die wie das Wasser zerstört, was sie nährt.“
John Greens Bestseller wird als Jugendbuch beworben. Aber gerade an diesem Beispiel wird deutlich, dass die Unterscheidung zwischen Jugend- und Erwachsenenliteratur genauso unsinnig ist wie die zwischen E- und U-Musik. Vielleicht sind manche „Erwachsenenbücher“ in ihrer Thematik zu schwierig oder zu abseitig für Jugendliche. Aber andersherum gilt: Warum sollte ein Jugendbuch, wenn es sich mit zeitlosen Lebensthemen beschäftigt, nicht auch Erwachsenen zu denken geben? Bei der Geschichte von und über Hazel geht es um Liebe und Leiden, um Leben und Tod. Es gibt es nicht nur viel zu denken, sondern auch viel zu lachen und noch mehr zu weinen.
Um noch einmal die Protagonistin sprechen zu lassen: „Manchmal liest man ein Buch, und es erfüllt einen mit diesem seltsamen Missionstrieb, und du bist überzeugt, dass die kaputte Welt nur geheilt werden kann, wenn alle Menschen dieser Erde dieses eine Buch gelesen haben.“ „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ ist so ein Buch. Zwar wird dadurch weder die kaputte Welt geheilt noch ein einziger krebskranker Mensch, aber nach der Lektüre hatte ich das Gefühl, dass man/frau in der ewigen Grübelei über den Sinn des Lebens ein Stück weiter kommen kann.
John Green: Das Schicksal ist ein mieser Verräter. Carl Hanser Verlag (München) 2012. 295 Seiten.
Besprechung vom Oktober 2012