Martin Mosebach : Der Mond und das Mädchen
„Sommernachtstraum“ in Frankfurt
Martin Mosebachs neueste Großstadtgeschichte
Martin Mosebach wird in diesen Tagen [2007] mit dem Georg-Büchner-Preis geehrt, den die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung (Darmstadt) jährlich verleiht. Der Büchner-Preis gilt als die höchste literarische Auszeichnung, die in Deutschland zu vergeben ist. Frühere Preisträger waren unter anderem Heinrich Böll, Max Frisch, Günter Grass, Martin Walser, Christa Wolf und viele andere mehr, die man bereits zu den „Klassikern“ der deutschen Literatur zählt.
Martin Mosebach, Jahrgang 1951, hat bereits zahlreiche Romane und andere Prosa-Texte veröffentlicht, aber auch Theaterstücke, Drehbücher und Lyrik. In diesem Sommer erschien sein Roman „Der Mond und das Mädchen“.
Hans und Ina, die Hauptpersonen, sind frisch verheiratet. Während Ina mit ihrer dominanten Mutter verreist, ist es an Hans, eine passende Wohnung in Frankfurt zu finden, wo er als Banker eine Stelle neu antreten soll. (Frankfurt ist auch der Heimatort von Martin Mosebach und viele seiner Werke spielen dort.) Die Suche erweist sich als zunehmend schwierig, und da die Zeit drängt, nimmt Hans schließlich eine Wohnung im Bahnhofsviertel, hoffend, dass es ihm und Ina gelingt, sich für ihr junges Eheglück ein passendes Nest zu bauen, auch wenn die Gegend ganz und gar nicht ihren Vorstellungen entspricht, die von einer bürgerlichen Herkunft geprägt sind.
Ina ist auch tatsächlich optimistisch und gutwillig und richtet die Wohnung mit Stil und Geschick ein. Aber nur Hans ist neugierig auf die neue Nachbarschaft und wird insbesondere angezogen von einer „Hinterhofrunde“, zu der der dubiose Hausverwalter ebenso gehört wie eine alte Dame mit multinationalem Hintergrund. Mehrere lange Abende verbringt Hans in dieser Gesellschaft aus Individualisten, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Zugleich schließt er Bekanntschaft mit anderen Mieter:innen im Haus, insbesondere mit einer attraktiven Schauspielerin und ihrem intellektuellen Lebensgefährten.
Gerade dieser Kontakt enthusiasmiert Hans, und er würde seine Begeisterung gerne mit Ina teilen. Die aber zeigt sich reserviert und spröde. Überhaupt gleitet sie in einen seltsamen Zustand ab, meint unter Wahnvorstellungen zu leiden, reagiert leicht empfindlich, fühlt sich unverstanden – und projiziert das alles auf die Wohnung und ihre Umgebung, in der kein guter Geist herrsche.
Einige turbulente Verwicklungen und kapriziöse Zufälle sorgen für ein kurzweiliges Accelerando der Erzählung, die sich bis dahin gemächlich und detailverliebt entfaltet hat. Eine kuriose Wendung am Ende bringt alles wieder ins Lot und rettet das Eheglück der Protagonisten.
Auch wenn „Roman“ auf dem Buchdeckel steht: es ist eigentlich ein novellenartiges Kammerspiel, das sich da auf 191 Seiten entwickelt, mit genau beobachteten Charakteren, einer Handlung, die sich auch in „schrägen“ Situationen ganz natürlich schwebend fortspinnt und einem stets leicht amüsierten Blick auf die Widrigkeiten des bürgerlichen Alltags.
Man hat Martin Mosebach eine altmodische Art zu schreiben attestiert, und seine Wortwahl wirkt in der Tat ein wenig angestaubt und gravitätisch. Das mag manchem Geschmack nicht zusagen. Mir allerdings gefällt diese Sprache, die nicht glatt, flott und „modern“ ist, sondern in virtuoser Beherrschung stilistischer Traditionen dennoch eine angemessene Ausdrucksweise für einen zeitgemäßen Großstadtplot findet.
Martin Mosebach: Der Mond und das Mädchen. Roman. Hanser Verlag, München 2007.
Besprechung vom Oktober 2007