Inge und Walter Jens : Frau Thomas Mann

Im Banne des „Zauberers“ Thomas Mann
Leben an der Seite des großen Romanciers

Auch wenn an dieser Stelle normalerweise keine Sachbücher besprochen werden: Die Biografie von Katharina Pringsheim, der späteren „Frau Thomas Mann“, ist so interessant zu lesen und darüber hinaus per se so eng mit Literatur verknüpft, dass die Ausnahme für diesen Fall berechtigt erscheint.

Katharina Pringsheim, Tochter aus großbürgerlichem, jüdischem Hause, aufgewachsen in einer der angesehensten und kulturell einflussreichsten Münchner Familien: sie und keine andere wollte der junge, nach den „Buddenbrooks“ bereits hochberühmte Romancier Thomas Mann aus Lübeck als Frau an seiner Seite. Erst nach langem Zögern gab sie seinem Werben und Drängen schließlich nach.

50 Jahre waren Katja und Thomas Mann verheiratet. Sie lebten lange zusammen in München, wo die sechs Kinder geboren wurden, kehrten schließlich 1933 von einer Vortragsreise nicht mehr ins nationalsozialistische Deutschland zurück, sondern wählten das Exil, zunächst in der Schweiz, dann in den USA, ab 1952 wieder in der Schweiz. Katja Mann fand ihre Bestimmung darin, ihr Leben voll und ganz ihrem Mann und seiner Künstlerexistenz zu widmen (nicht zu opfern!).

Sie war Haupt und Managerin des großen, gastfreundlichen Hauses; sie regelte die häufigen familiären Turbulenzen (die Kinder, allesamt auf ihre Weise künstlerisch begabt und von eigenwilligem Naturell, verursachten ihr auf vielerlei Weise mehr als alltägliche Sorgen); sie war Agentin und Verhandlungspartnerin der Verlage und Auftraggeber; sie war Thomas Manns rechte Hand z.B. in der Korrespondenz; sie war ihm aufmerksame Zuhörerin und kritische Ratgeberin; sie sorgte für Ruhe und Räumlichkeiten, damit Thomas Manns stets störanfällige Produktivität gewährleistet war; und nicht zuletzt lieferte sie ihm durch ihre wache Beobachtungsgabe und die lebhafte Schilderung von vielerlei Begebenheiten das Rohmaterial für so manche Romanszene.

Man weiß vieles aus dem Leben der Manns aus den Standardwerken, die es über Thomas Mann zuhauf gibt. Für die vorliegende Biografie von Katia Mann aber wurde bisher unbekanntes Material ausgewertet, das ein neues und bezeichnendes Licht auf die „Frau an seiner Seite“ wirft. Vornehmlich Briefe sind es, in denen sich Katia als stilistisch ungemein gewandte Schreiberin offenbart und man möchte angesichts dieser reichen Quelle ein Klagelied anstimmen, dass heutzutage kaum noch Briefe geschrieben werden!

Nicht nur die zitierten Briefe sind kleine Sprachkunstwerke, auch Inge und Walter Jens, die diese Biografie in Gemeinschaftsarbeit verfasst haben, pflegen einen gehobenen, dabei sehr lebendigen und der Sache vollkommen angemessenen Stil. Und es erhöht den Lesegenuss, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Geschichte der Ehe von Thomas und Katia Mann (als die sich das Buch auch lesen lässt) von einem Autoren-Ehepaar verfasst wurde - über die jeweiligen Anteile kann man dabei nur mutmaßen (Inge Jens war, so ist aus diversen Interviews zu schließen, die „Chefin“ des Gemeinschaftsprojekts).

Hat man die überaus anregende Lektüre dieses Buchs beendet, so ist ein Roman von Thomas Mann die einzig richtige „Fortsetzung“. Etwa „Königliche Hoheit“, diese reizende und elegante Liebesgeschichte, in deren weiblicher Hauptperson Imma Spoelmann man gerne ein alter ego der jungen Katharina Pringsheim sehen mag, um die Thomas Mann in hinreißenden Briefen geworben hat: „Wissen Sie, warum wir so gut zueinander passen? Weil (...) Sie, auf Ihre Art, etwas Außerordentliches, - weil Sie, wie ich das Wort verstehe, eine Prinzessin sind. Und ich, der ich immer (...) eine Art Prinz in mir gesehen habe, ich habe, ganz gewiß, in Ihnen meine vorbestimmte Braut und Gefährtin gefunden.”

Ein wunderbarer Start ins Jahr 2005, denn da jährt sich Thomas Manns Geburtstag zum 130. Mal, sein Todestag zum 50.Mal und am 11. Februar ist die 100. Wiederkehr des Hochzeitstags, an dem Katharina Pringsheim zu „Frau Thomas Mann“ wurde.

Inge und Walter Jens: Frau Thomas Mann. Das Leben der Katharina Pringsheim. Rowohlt Verlag Reinbek bei Hamburg 2003. Als Taschenbuch 2004, rororo 23664. 352 Seiten.

Besprechung vom November 2004

Sabine Skudlik