Hans Maier : Böse Jahre, gute Jahre. Ein Leben 1931 ff.

Gelehrsamkeit und politisches Geschick
Aus dem Leben eines bayerischen Kultusministers

Hans Maier, ehemaliger bayerischer Kultusminister, wurde im vergangenen Juni [2011] 80 Jahre alt und hat seine Erinnerungen vorgelegt. Sie berichten anregend und – auf höchstem Niveau – unterhaltsam aus einem reichen Gelehrten- und Politikerleben.

Gerne würde man mit dem Erzähler länger in Freiburg, der Stadt seine Kindheit und Jugend bleiben. Wir erfahren nicht nur, wie das Kind mit seiner verwitweten Mutter und den beiden Schwestern aufwächst, wie es sich in der ländlich-bäuerlichen Verwandtschaft wohlfühlt, wie es die Schrecken des Krieges übersteht. Maier erzählt auch, wie er zur Musik kam (seit seinem 11. Lebensjahr bis heute ist er als Kirchenorganist und auch konzertierend tätig), wie ihm im Gymnasium und in der kirchlichen Jugend neue Horizonte erschlossen werden. Die Nachkriegszeit erlebt der wissbegierige Heranwachsende als „eine Zeit der Befreiung, des Auf- und Einatmens, der Aufbruchsstimmung, […] eine Zeit unglaublich reicher, vielfältiger, in so kurzer Zeit kaum zu verarbeitender Anregungen.“

Maier berichtet, wie er in die akademische Welt hineinwächst, in eine Welt, die damals noch nicht von Anonymisierung, straffen Studienplänen und credit points geprägt war, sondern in der man die akademischen Lehrer und ihre Gedankenwelt auch im persönlichen Umgang und Gespräch kennenlernen konnte. Die wissenschaftliche Laufbahn führt ihn, der ursprünglich Germanistik, Romanistik, Geschichte und Philosophie studierte, mit 31 Jahren als Professor für politische Wissenschaft nach München ans Geschwister-Scholl-Institut der Universität. Hochinteressant ist sein Bericht, wie er die Studentenunruhen der Jahre 1967/68 einschätzte und erlebte!

Gewissermaßen auf dem 2. Bildungsweg gelangt Maier in die Politik: der Bayerische Ministerpräsident Alfons Goppel beruft ihn als Kultusminister in sein Kabinett, obwohl Maier kein Berufspolitiker ist: Zu diesem Zeitpunkt, 1970, ist er weder Mitglied des Landtags noch der CSU! Acht Jahre ist Maier „KuMi“ unter Goppel, acht Jahre unter Strauß. Danach kehrt er an die Universität zurück und lehrt 1988-1999 als ordentlicher Professor für christliche Weltanschauung, Religions- und Kulturtheorie am renommierten Guardini-Lehrstuhl der Universität München.

Daneben stellt sich Maier für eine Vielzahl von Ämtern zur Verfügung – nicht nur als Vorsitzender des Zentralkomitees der Katholiken – und ist zweimal sogar als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten im Gespräch. Er erhält zahlreiche wissenschaftliche und künstlerische Auszeichnungen, ist Mitglied in Akademien, Urheber eines beeindruckenden wissenschaftlichen Œuvres ebenso wie Autor zahlreicher Bücher und Zeitschriftenbeiträge von allgemeinem Interesse.

Vielfältigste Aufgaben und Tätigkeiten sowie Begegnungen mit zahllosen Persönlichkeiten der Zeitgeschichte prägen also diesen Lebenslauf. Was Maiers Memoiren so lesenswert macht, ist seine Gabe, einerseits Sachverhalte in kurzen kräftigen Zügen verständlich zu machen und in einen größeren Kontext zu stellen. Ein Kapitel behandelt beispielsweise die neun Gesetze, die er als Bayerischer Kultusminister auf den Weg brachte: Wo man die Beschreibung langweiliger politischer Verwaltungstätigkeit vermuten könnte, gelingt es Maier, anschaulich zu verdeutlichen, was ihm in seiner Tätigkeit als Bildungspolitiker am Herzen lag, wie man im politischen Geschäft klug agiert und mitunter auch taktiert. Auf der anderen Seite porträtiert er seine Weggefährten, seine Gesprächspartner, auch seine (politischen) Gegner stets pointiert, treffend und lebendig, dabei ganz ungeniert und dennoch so diskret wie nötig aus der Vergangenheit plaudernd. Dies alles mit einer Formulierungskunst, die in ihrer geschliffenen Eleganz geradezu besticht.

Maier ist nicht zuletzt Vater von sechs Töchtern, auch wenn er unumwunden zugibt, dass seine Aufgabe als Familienvater eine war, die er nicht zur Gänze ausfüllen konnte. Umso anrührender ist es, wenn er am Ende des Buches seine Töchter selbst zu Wort kommen lässt. Vier von ihnen kamen seiner Bitte nach und schildern sehr eindrücklich die Zeit, als ihr Vater Kultusminister und sie selbst Schülerinnen an bayerischen Schulen waren. Man kann wohl davon ausgehen, dass diese Zeugnisse weitestgehend „ungeschminkt“ ausfielen – sie werfen einen persönlichen Blick auf den Menschen Hans Maier und ergänzen und kontrastieren auf diese Weise eindrucksvoll das Bild, das er in seiner Autobiografie selbst von sich zeichnet.

 

Hans Maier: Böse Jahre, gute Jahre. Ein Leben 1931 ff.
Verlag C.H.Beck, München 2011. 420 Seiten

Besprechung vom November 2011

Sabine Skudlik